Ihr mit euren Träumen“, so lautet die Überschrift eines Artikels über Indiens Entwicklung im Wirtschaftsteil der ZEIT vom 27. April 2006. Das zur Überschrift gewordene Zitat entstammt einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Weltbank, die Konzepte für die Bekämpfung der Armut in Indien erstellt. Sie bezieht sich dabei auf den vor allem im Ausland vermittelten Eindruck, Indien könne dank des starken Wirtschaftswachstums der letzten Jahre (~8% pro Jahr), in wenigen Jahren Armut und Elend eines Großteils seiner Bevölkerung überwunden haben. So dynamisch Indiens Wirtschaft ist, so arm und geteilt ist das Land auch 2012 noch.
Indiens Armut, so die Zeit, ist nicht verholen, sondern schreiend. Vor allem auf dem Land und in den Slums der Städte. Rund 300 Millionen der 1,1 Millionen Inder leben von weniger als einem Dollar am Tag. Sie stellen rund 40% der Ärmsten auf unserer Erde. Indien zählt rund ein Drittel Analphabeten (~370 Millionen). Vielerorts versagt das staatliche Grundschulsystem, so dass selbst arme Familien ihre Kinder auf einfache (kostenpflichtige) Privatschulen schicken. Indiens Gesellschaft ist jung und wird es im Gegensatz zu China auch 2050 noch sein. In spätestens zehn Jahren ist Indien das bevölkerungsreichste Land der Erde. 2050 leben schätzungsweise1,6 Milliarden auf dem Subkontinent, der nur ein drittel der Fläche der USA misst. „Eigentlich ist der riesige Nachwuchs an Arbeitskräften Indiens ökonomischer Segen. Doch müssen auch Jobs für Sie in allen Landes- und Wirtschaftsteilen entstehen. Zehn bis zwölf Millionen Jobs müssten es jährlich sein, sonst besteht die Gefahr weiter wachsender sozialer Ungleichheit und Armut“,warnt der Chef des Computerdienstleisters Infosys in der Zeit. Dennoch, aus der boomenden Software und Computerbranche kann das Gros der Arbeitsplätze nicht kommen. Insgesamt beschäftigt diese Zukunftsbranche in Indien nur rund eine Million Menschen.
Zwei von drei Indern leben auf dem Land. Der Aufschwung der letzten Jahre ist spurlos an ihnen vorbeigegangen. Die Hälfte von ihnen kann weder schreiben noch lesen. Durch Dürren und Missernten sind viele Bauern hoch verschuldet. Millionen verarmter Bauern verlassen deshalb in der Hoffnung auf Arbeit ihre Dörfer in Richtung Wirtschaftszentren. Die Bevölkerung Bombays wächst allein durch diesen Zuzug täglich um über tausend Menschen.
Jeder Quadratzentimeter der 18 Millionen Metropole wird von den Zuwanderern in Beschlag genommen. In keiner anderen Stadt Indiens sind die Probleme des Schwellenlandes – mangelnde Infrastruktur, ausufernde Bürokratie, extreme soziale Gegensätze – aber auch die Chancen – Unternehmensgründungen, entstehen einer Mittelschicht – so offensichtlich. Sündteure Appartementhäuser vor Slums in denen Hunderttausende von der Hand in den Mund lesen. Ein im TIME Magazin (July3,2006) erschienener Bericht zitiert eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey über Bombay – so kommt ein öffentlicher Bus auf 1500 Menschen, zwei öffentliche Parkplätze auf 1000 Autos, 17 öffentliche Toiletten auf eine Million Bewohner und ein städtisches Krankenhaus auf die 7.2 Millionen Bewohner der nördlichen Slums. Sechs Millionen Slumbewohner haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und zwei Millionen keine Toilette (TIME). Es wird sich gerade in Städten wie Bombay zeigen, wie Indiens Zukunft aussieht. Die Hoffnung ist groß, dass Indiens Wirtschaftswachstum auch denjenigen Menschen langfristig zu gute kommt, die heute noch zu Hundertenmillionen in Armut leben. Die Voraussetzungen sind laut McKinsey in Bombay durchaus gegeben. Bombays Boom verlangt nach gut ausgebildeten, ehrgeizigen und motivierten jungen Menschen.
Hier schließt sich der Kreis zu Prem Dan. Die Hilfe Prem Dans für die Slumkinder der Metropole zielt genau auf diese Erfordernisse ab. Sie versetzt die Kinder durch eine von Paten und Förderern ermöglichte Schulbildung an anerkannten Schulen in die Lage, einen gut bezahlten und zukunftssicheren Arbeitsplatz zu finden.
Leider sind die Bildungschancen für die Ärmsten der Armen noch viel zu dünn gesät. Das indische Bildungs- und Gesundheitswesen hält mit dem enormen Bevölkerungswachstum nicht Schritt. Jedes Jahr wächst Indiens Bevölkerung um 17 Millionen.
Auch auf diesem Feld wird sich zeigen müssen, ob der Boom Indiens von Dauer sein wird, ob sich die Zahl der Menschen in extremer Armut merklich verringert und Indien den Sprung vom Schwellenland zu einem Industriestaat schafft. Noch ist es bei weitem noch nicht so weit, geträumt werden darf aber schon einmal – „Ihr mit euren Träumen“ ….
(Quellen: FOCUS 11/2006 „Indien zwischen Cyberspace und Baracke“, Die ZEIT Nr.18 „Ihr mit euren Träumen“, Die Welt 22.April 2006 „Indien zwischen Slums und Software-Träumen“, Süddeutsche Zeitung 4.Mai,2006 „Indien-Vor dem Sturm“, TIME Magazin July,3,2006 „Bombays Boom“, und natürlich unsere eigenen Eindrücke von den zahlreichen Besuchen Bombays und Prem Dans).