Können Sie sich noch an Ihren ersten Schultag erinnern? An Ihre Schultüte, deren süßen Inhalt und an Ihren ersten Banknachbarn oder Nachbarin im fremden Klassenzimmer? Oder – wie in meinem Fall – an die große Aufregung kurz vor der ersten Schulstunde? Die neuen Schuhe drückten, die feine Hose war über den Sommer irgendwie zu kurz geworden und vor der Tür stand mein herausgeputzter Kindergartenfreund Gert mit seinen Eltern, pünktlich und sehnlichst auf den widerspenstigen (wegen der Schuhe) und quengelnden (muss ich da jetzt wirklich hin?) Freund wartend. Erster Schultag und Aufregung sind sicherlich Zwillinge einer beginnenden Schulkarriere..
Aber zurück ins Hier und Jetzt bzw. nach Mumbai und unserem Projektpartner Prem Dan, an dessen Slumschulen, im Mädchenheim und Internat und in den Partnerschulen unserer Patenkinder am 15. Juni das neue Schuljahr begann – sicherlich auch mit Aufregung und Spannung. Gerade für die Allerjüngsten, die fünfjährigen Kinder aus den Slums und deren Eltern, meist Analphabeten, ist der erste Tag an einer anerkannten Vorschule ein Ereignis von ganz besonderer Bedeutung. Als Armutsflüchtlinge aus den ländlichen Regionen Indiens sind die Familien ja in der Hoffnung auf Arbeit und eine bessere Zukunft für die Kinder nach Mumbai gekommen. Die Aufnahme ins Bildungsprogramm (Voraussetzungen sind u.a. der Nachweis der Bedürftigkeit..) und der erste Schultag sind für sie wie ein wahrgewordener Traum. Die Tür zu einer guten Schulbildung und einer sicheren Zukunft, der den kastenniedrigen und ungebildeten Familien oft über Generationen verwehrt war, steht den kleinen Slumkindern dank der Initiative der Ordenschwestern und ihrem Team weit offen. Es ist zwar ein weiter Weg bis zum High School Diploma nach der zehnten Klasse, der Eigeninitiative und gerade für Kinder aus den Slums ein besonderes Durchhaltevermögen verlangt, die klassische Hilfe zur Selbsthilfe eben, wer aber denkt heute schon daran?
Also, am 15. Juni begann das neue Schuljahr für 550 Kinder bei Prem Dan. Ca. 70 werden dabei von unseren Paten und Förderern durch die Schulzeit begleitet. Unsere Unterstützung sorgt nicht nur für eine gute Bildung (Schulgeld), sondern finanziert und ermöglicht auch die vielen begleitenden Maßnahmen die nötig sind, um Kindern aus einem bildungsfernen Umfeld, die (bis auf die 50 Mädchen im Mädchenheim) weiterhin im Slum wohnen werden, einen Weg aus der Armut zu ebnen. Hier seien die tägliche Ernährung, Hilfe beim Lernen und den Hausaufgaben (die Eltern können i.d.R. nicht Lesen und Schreiben), Hilfe im Krankheitsfall, beim Beschaffen von Schulmaterial, Kleidung etc. und vielem mehr genannt. Ich bin mir sicher, kein Slumkind musste den ersten Schultag in zu engen Lederschuhen überstehen. Wäre auch nicht angeraten, der Schulbeginn fällt mit dem Start des jährlichen Monsuns zusammen. Zur Zeit regnet es stark, es kommt zu heftigen Überschwemmungen und zum teilweisen Erliegen des öffentlichen Lebens. In den Slumhütten steht das Wasser oft knietief und trägt den Dreck und die Fäkalien der Elendsviertel in die letzte Ecke. In den Wasserlöchern und Pfützen explodieren die Moskitopopulationen. Denguefieber, Malaria und andere Tropenkrankheiten breiten sich wie Durchfallerkrankungen in der Regenzeit unter der Slumbevölkerung, dort wo sich die Menschen kaum vor den Stechmücken oder dem Kontakt mit dem verschmutzten Wasser schützen können, stark aus. Prem Dan stellt den Slumbewohnern u.a. Lebensmittel oder Regenplanen zum Abdichten der löchrigen Dächer zur Verfügung.
Was hat sich sonst in den letzten Monaten getan? Prem Dan erfüllt die – unter der hindunationalistischen Regierung extrem verschärften- gesetzlichen Voraussetzungen (FCRA Registration Renewal) um Spenden aus dem Ausland zu empfangen für weitere fünf Jahre. In den achtwöchigen Ferien (Mitte April – Mitte Juni) hat das Team von Schwester Helen wieder die so genannten „Fresh-Air-Camps“ im Ferienhaus in den Bergen Khandalas veranstaltet. Für Slumkinder, die noch nie einen Wald, Wildtiere gesehen haben oder eben frische Luft genießen durften, sind die Tage in der Natur ein riesiges Abenteuer. Weiterhin finden die nachmittäglichen Lern- und Nachhilfestunden in der Garden School und abendlich die Treffen mit den Eltern der Slumkinder statt. Hier erfahren die Eltern zu Themen wie Hygiene, Ernährung, Schulaktivitäten und Unterstützung der Kinder etc.. Die konstante Unterstützung der Eltern ist ein wichtiger Erfolgsfaktor und leider nicht selbstverständlich. Wegen der unsicheren Einkommensgelegenheiten der oftmals ungelernten Tagelöhner, fehlender staatlicher Absicherung gegen Krankheit und Unfälle, fehlender Rechtssicherheit (Slumfamilien können vom „Vermieter“ der Slumbehausung oder von Behörden vom ein auf den anderen Tag vertrieben werden) ist es wichtig, dass die Eltern wissen, dass auch in all diesen Fällen Prem Dan helfen kann, um den erzwungenen Wegzug der Familien und Patenkinder zu verhindern.
Die Fotos zeigen ein paar von den Ereignissen und Aktivitäten der letzten Monate. Mehr finden Sie auch auf unserem Instagram- und Facebookseiten (zu finden unter Slumkinderhilfe_Mumbai). Hier sind wir in der Regel aus technischen Gründen deutlich schneller als auf unserer Webseite. Besuchen Sie uns bitte gerne auch dort!